Zwischen Linien und Tornetzen
Es gibt Momente, die bleiben im Gedächtnis. Enno Osten erinnert sich genau an einen solchen: der Anruf von Silvan Glanzmann, einem der Gründer des tschutti heftli. Am anderen Ende der Leitung: „Wir probieren das aus.“ Und Enno? Sprachlos. Zum ersten Mal in der Geschichte des legendären Stickeralbums sollte die Gestaltung an externe Künstler:innen vergeben werden – und er war dabei. „Das war einfach nur ein Gänsehautmoment.“
Enno ist jemand, der Fußball fühlt – aber anders als viele. Nicht laut, nicht plakativ. Sondern mit Stift, Idee und feinem Gespür. Schon 2016 stand er das erste Mal mit einem tschutti heftli in den Händen in einem Wiener Buchladen. Die Illustrationen, die Handschrift der Künstler:innen, das Spielerische jenseits der kommerziellen Panini-Welt – es hat ihn gepackt. „Ich fand das so spannend, dass ich mir gleich dachte: Da will ich mitmachen.“ Und er fing an zu zeichnen. Damals, 2018, seinen Lieblingsspieler Paulo Dybala.
Ein paar Jahre später ist es Realität geworden. Als Student am Kolleg für Grafik und Kommunikationsdesign wagt er es, einen großen Traum anzustoßen – und gestaltet im Rahmen seines Diplomprojekts das tschutti heftli zur EM 2025. Nicht allein, sondern im Duo, gemeinsam mit einem Studienkollegen. Enno zeichnet, entwickelt, feilt – und bringt ein ganz eigenes Element ins Heft: Tornetze.
„Ich habe überlegt: Was ist das Ziel im Fußball? Der Ball muss ins Netz. Und genau dort, in diesem Moment, passiert etwas – Glück, Jubel, manchmal auch Enttäuschung. Aber es ist immer Emotion.“ Das Netz wird bei ihm zur Metapher, zur Karte ohne Grenzen, zum Symbol für ein Gefühl, das alle verbindet. „Es hat so viele Formen, es kann sich wölben, es kann still sein oder beben – wie das Stadion selbst.“ Selbst die Coverfarbe hat eine Geschichte: Rot statt Grün, als Zeichen für die Schweiz, für Energie, für Kampfgeist.


Doch natürlich lief nicht alles glatt: „Der leere weiße Seite war anfangs ziemlich herausfordernd. Und dann gibt es diese Momente, wo du eine super Idee hast – und in der Präsentation kommt sie einfach nicht so rüber. Das frustriert. Aber zum Glück hat es am Ende immer funktioniert.“ Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm das Arbeiten bis spät in die Nacht, „wenn man im Flow ist, weitermachen will, weil die Ideen einfach weiterfließen.“
Besonders berührend waren für ihn auch die Reaktionen: „Besonders gefreut hat mich, wie positiv mein Umfeld reagiert hat – es bedeutet mir viel, wenn andere spüren, wie viel Herz in meiner Arbeit steckt.“
Denn Enno liebt, was er tut. Und er tut, was er liebt. Sein Alltag ist geprägt von Linien, Skizzen, Ideen. Er zeichnet seit seiner Kindheit – inspiriert von einer künstlerisch geprägten Familie, aber immer auf der Suche nach dem eigenen Stil. Heute gestaltet er Fußballtrikots, Logos, Fanartikel. Warum Fußball? „Ich werde oft gefragt, warum gerade das. Aber es macht mir einfach Spaß. Und das Design im Fußball – das braucht dringend neue Ideen. Ich will zeigen, dass es auch stilvoll geht.“
Besonders wohl fühlt sich Enno mit Bleistift und Fineliner – analog, direkt, echt. Für das tschutti heftli hat er digital gearbeitet, aber der erste Entwurf entstand wie immer auf Papier. Inspiration findet er überall: in Ausstellungen, in Begegnungen, im Unerwarteten. Und oft bei Künstler:innen, die ganz anders arbeiten als er selbst.
Seine Projekte reichen inzwischen über das Heft hinaus: Beim FC Augarten in Wien, wo er selbst spielt, gestaltet er Schals, Trikots, Social Media – eine Spielwiese für seine Ideen. Auch beim BVB Fanclub Vienna ist er aktiv, hat das Logo überarbeitet, Fanartikel designt. „Ich nehme gerne kleine Aufträge an – vor allem im Fußballbereich. Das ist mein Ding.“
Doch nichts kommt an dieses eine Projekt heran: Das tschutti heftli. Die Kick-off-Veranstaltung steht kurz bevor. Die Diplomausstellung auch. Und bald halten Sammler:innen ein Heft in der Hand, das viel mehr ist als nur ein Album. Es ist Ennos Herzblut. Sein Gefühl für Fußball. Seine Handschrift in Linien und Netzen.
„Wenn man so einen Sticker aufmacht – dieses Überraschungsgefühl, das ist einfach magisch. Und dass ich das mitgestalten durfte – das ist wirklich etwas ganz Besonderes für mich.“
